12 Bauernartikel

Historisch gesehen waren „Die Zwölf Artikel“, die im Jahr 1525 auf dem Memminger Marktplatz proklamiert wurden, das erste Dokument, das sich lange vor der französischen Revolution oder der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung mit der Würde des Menschen und den damit zusammenhängenden Menschen- und Freiheitsrechte befasst hat.

Artikel 1 – Jede Gemeinde soll das Recht haben ihren Pfarrer zu wählen und ihn zu ersetzen (abzusetzen), wenn er sich ungebührlich verhält. Der Pfarrer soll das Evangelium lauter und klar ohne allen menschlichen Zusatz predigen, da in der Schrift steht, dass wir allein durch den wahren Glauben zu Gott kommen können.

Artikel 2 – Von dem großen Zehnten sollen die Pfarrer besoldet werden. Ein etwaiger Überschuss soll für die Dorfarmut und die Entrichtung der Kriegssteuer verwandt werden. Der kleine Zehnt soll abgetan (aufgegeben) werden, da er von Menschen erdichtet ist, denn Gott der Herr hat das Vieh dem Menschen frei erschaffen.

Artikel 3 – Ist der Brauch bisher gewesen, dass man uns für Eigenleute (Leibeigene) gehalten hat, welches zu Erbarmen ist, angesehen das uns Christus alle mit seinen kostberlichen Blutvergießen erlöst und erkauft haut, den Hirten gleich wie den Höchsten, keinen ausgenommen. Darum erfindet sich mit der Schrift, dass wir frei sind und sein wollen.

Artikel 4 – Ist es unbrüderlich und dem Wort Gottes nicht gemäß, dass der arme Mann nicht Gewalt hat, Wildbrett, Geflügel und Fische zu fangen. Denn als Gott der Herr den Menschen erschuf, hat er ihm Gewalt über alle Tiere, den Vogel in der Luft und den Fisch im Wasser gegeben.

Artikel 5 – Haben sich die Herrschaften die Hölzer (Wälder) alleine angeeignet. Wenn der arme Mann etwas bedarf, muss er es um das doppelte Geld kaufen. Es sollen daher alle Hölzer, die nicht erkauft sind (Gemeint sind ehemalige Gemeindewälder, die sich viele Herrscher angeeignet hatten) der Gemeinde wieder heimfallen (zurückgegeben werden), damit jeder seinen Bedarf an Bau und Brennholz daraus decken kann.

Artikel 6 – Soll man der Dienste (Frondienste) wegen, welche von Tag zu Tag gemehrt werden und täglich zunehmen ein ziemliches Einsehen haben (sie ziemlich reduzieren), wie unsere Eltern gedient haben, allein nach Laut des Wort Gottes.

Artikel 7 – Soll die Herrschaft den Bauern die Dienste nicht über das bei der Verleihung festgesetzte Maß hinaus erhöhen (Eine Anhebung der Fron ohne Vereinbarung war nicht unüblich).

Artikel 8 – Können viele Güter die Gült (Pachtabgabe) nicht ertragen. Ehrbare Leute sollen diese Güter besichtigen und die Gült nach Billigkeit neu festsetzen, damit den Bauer seine Arbeit nicht umsonst tue, denn jeglicher Tagwerker ist seines Lohnes würdig.

Artikel 9 – Werden der große Frevel (Gerichtsbußen) wegen stets neuen Satzungen gemacht. Man straft nicht nach Gestalt der Sache, sondern nach belieben (Erhöhungen von Strafen und Willkür bei der Verurteilung waren üblich). Ist unsere Meinung, uns bei alter geschriebener Strafe zu strafen, darnach die Sache gehandelt ist, und nicht nach Gunst.

Artikel 10 – Haben etliche sich Wiesen und Äcker, die eine Gemeinde zugehören (Gemeindeland, das ursprünglich allen Mitgliedern zur Verfügung stand), angeeignet. Die wollen wir wieder zu unseren gemeinen Händen nehmen.

Artikel 11 – Soll der Todfall (eine Art Erbschaftssteuer) ganz und gar abgetan werden, und nimmermehr sollen Witwen und Waisen also schändlich wider Gott und Ehre beraubt werden.

Artikel 12 – Ist unser Beschluss und endliche Meinung, wenn einer oder mehr der hier aufgestellten Artikel dem Worte Gottes nicht gemäß wären, von denen wollen wir abstehen, wenn man es uns auf Grund der Schrift erklärt. Wenn man uns schon etliche Artikel jetzt zuließe und es befände sich hernach, dass sie Unrecht wären, so sollen sie von Stund an tot und absein. Desgleichen wollen wir uns aber auch vorbehalten haben, wenn man in der Schrift noch mehr Artikel fände, die wider Gott und eine Beschwernis des Nächsten wären.

12 Bauernartklel (Stadtarchiv Memmingen)