Der Bauernkrieg

Es hat lange, viel zu lange gedauert, bis der Bauernkrieg im Geschichtsbewusstsein der Deutschen mehr war als ein Aufstand von ungeordneten Haufen und Rotten gegen die althergebrachte Ordnung und Herrschaft.
Es hat lange, zu lange gedauert, bis die Ereignisse des Jahres 1525, mit dem, was vorausging und dem was folgte als freiheitliche Revolution, als Teil deutscher Freiheitsgeschichte verstanden und angenommen wurde.
Alt-Bundespräsident Johannes Rau bei der Feier „475 Jahre Zwölf Memminger Bauernartikel“ am 10.03.2000 in Memmingen

Der Bundespräsident: Reden und Interviews

Die 12 Bauernartikel, erste europäische Charta der Freiheit und Menschenrechte, entstanden im Jahre 1525 in der Kramerzunft in Memmingen. Sie sind ein bedeutsames Kapitel in der deutschen und in der Geschichte unserer ehemals freien Reichsstadt. In Erinnerung daran wurde der Freiheitspreis gestiftet.

Oberbürgermeister a.D. Dr. Ivo Holzinger, Memmingen
in einem Grußwort zur Verleihung des Memminger Freiheitspreises 2009 an den Autor und Lyriker Reiner Kunze

Die Ursachen für das Aufbegehren der Bauern sind vielfältig.

Anfang des 16. Jahrhunderts ist das Heilige Römische Reich in Süddeutschland und dort vor allem in Schwaben in eine unüberschaubare Vielzahl kleiner Feudalherrschaften zersplittert. Viele Probleme der Bauern sind lokal und durch den jeweiligen Landesherrn bedingt.

Die meisten Ursachen der Aufstände sind aber in der allgemeinen Situation der Bauern begründet, die sich von Herrschaft zu Herrschaft nicht wesentlich unterscheidet.

Die Hauptlast zur Aufrechterhaltung der Feudalgesellschaft tragen die Bauern: Fürsten, Adel, Beamte, Patrizier und der Klerus leben von deren Arbeitskraft und da die Zahl der Nutznießer immer weiter ansteigt, steigen auch die Abgaben, die die Bauern zu leisten haben. Neben dem Großzehnt und dem Kleinzehnt auf die meisten ihrer erwirtschafteten Einkünfte und Erträge zahlen sie Steuern, Zölle und Zinsen und sind häufig ihren Grundherren zu Frondiensten verpflichtet.

Wirtschaftliche Probleme, häufige Missernten und der Druck der Grundherren führt immer mehr Bauern in die Hörigkeit und weiter in die Leibeigenschaft, woraus wiederum zusätzliche Pachten und Dienstverpflichtungen resultieren.

Auch das „Alte Recht“, ein mündlich überliefertes Recht, wird von den Grundherren zunehmend frei interpretiert oder gänzlich ignoriert. Seit Jahrhunderten bestehende Allmenden werden enteignet und gemeinschaftliche Weide-, Holzschlag-, Fischerei, oder Jagdrechte beschnitten oder abgeschafft.

Der Hochadel ist an einer Änderung der Lebensumstände der Bauern nicht interessiert, weil dadurch zwangsläufig eigene Privilegien und Vorteile eingeschränkt würden. Der niedere Adel geht dem Niedergang zu und hat mit einem dramatischen Bedeutungsverlust zu kämpfen, was zu eigenen Aufständen führt. Der Versuch vieler niederer Adeliger, sich durch Raubrittertum über Wasser zu halten, geht größtenteils wiederum zu Lasten der Bauern.

Der Klerus ist genauso gegen jede Veränderung: Kaum ein Kloster existiert ohne zugehörige Dörfer. Nebst Spenden und schwunghaftem Ablasshandel erzielt die Kirche ihre Einkünfte ebenso wie der Adel aus dem Zehnt.

Die einzigen Reformbestrebungen, die auf die Abschaffung der alten Feudalstrukturen zielen, gehen vom erstarkenden Bürgertum der Städte aus, bleiben aber schwach ausgeprägt, da dieses von Adel und Klerus abhängig ist.
Viele der einfachen Bauern trauen sich aufgrund ihrer vielfachen Abhängigkeitsverhältnisse nicht gegen ihre Herren aufzubegehren. Vor allem die dörfliche Oberschicht will Veränderungen. Bauernrichter, Dorfhandwerker und Ackerbürger tragen den Aufstand und drängen vielerorts die armen Bauern zum Anschluss an die Bauernhaufen, die sich militärisch zunehmend wie die Feudalheere organisieren.

Die Bauern selbst wollen vor allem ihre altüberlieferten Rechte wieder herstellen und ein menschenwürdiges und im übrigen gottesfürchtiges Leben führen. Ihre Forderungen nach Milderung der Lasten und Aufhebung der Leibeigenschaft aber rütteln an den Grundfesten der bestehenden Gesellschaftsordnung.